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Value Investing Bewertung Aktien DCF Multiples

Unternehmensbewertung – je einfacher, desto besser! Teil 1

Discounted Cash Flows – theoretisch richtig!

Akademisch wie in der Praxis herrscht der Konsens, dass sich der Wert des Eigenkapitals eines Assets aus der Summe der, dem Eigentümer zur Verfügung stehenden, zukünftigen Geldflüsse (Free Cash Flows to Equity) ergibt. Diese Cash Flows müssen mit einem „angemessenen“ Diskontierungssatz (den Kapitalkosten) abgezinst werden, um den heutigen – risiko-adjustierten – Wert (Present Value) zu ermitteln.
Die Herausforderung in der Unternehmensbewertung liegt somit in der Prognostizierung der zukünftigen Cash Flows, sowie in der Wahl eines angemessenen Diskontsatzes.

Für die Cash Flows nimmt man in der Praxis eine detaillierte Planung für die nächsten 5-10 Jahre vor und setzt für die darüber hinaus gehenden Jahre (unter Annahme unendlich(!) laufender

Geldflüsse) einen sogenannten Terminal Value fest.
Mathematisch sieht die DCF Berechnung folgendermaßen aus:

Unternehmensbewertung

Chart 1: DCF Formel (5-Jahre-Planung) zur Unternehmensbewertung; eigene Darstellung

 

 

 

 

 

 

 

Der Theorie nach ist das oben vorgestellte Discounted Cash Flow Verfahren die genaueste und sinnvollste Methode zur Ermittlung des tatsächlichen Wertes des Eigenkapitals einer Firma (bis auf den unsinnigen Fakt, dass der Terminal Value Cash Flows bis in alle Ewigkeit annimmt). Wenn man ganz genau weiß, wie hoch die zukünftigen Free Cash Flows sein werden und wie hoch der angemessene Kostensatz des Eigenkapitals in jedem Jahr ist, liefert das DCF-Verfahren auf den Cent genau den tatsächlichen Wert des Eigenkapital. Wie gesagt, wenn…!
Hier ist das Problem: keiner weiss wie hoch die Free Cash Flows in den Folgejahren sein werden und genauso wenig weiss man wie hoch der tatsächliche Kapitalkostensatz ist (außer jeder einzelne Shareholder des Unternehmens würde Jahr für Jahr eine korrekte Angabe über seine geforderte Rendite machen). Der springende Punkt beim DCF-Verfahren ist, dass es in Theorie ein hervorragendes Modell ist, welches in der Praxis jedoch mit qualitativ schlechten Daten gefüttert wird. Das Resultat ist dementsprechend ernüchternd. Über 70% der Analysten, welche Preisvorhersagen für einzelne Aktien treffen (und welche fast ausnahmslos das DCF Verfahren anwenden), verfehlen auf lange Sicht deutlich ihre Empfehlungen (Quelle: Value Investing: From Graham to Buffett and Beyond; Bruce Greenwald; 2004). Der Grund für die schlechte Performance ist zum einen der Zeitaufwand, den ein Analyst der Analyse einer einzigen Firma widmen kann. Da er meist mehrere Titel abdeckt, bleibt nicht die Zeit, um sich fundamental ausreichend (bis ins Detail) mit den Zahlen und Fakten eines Unternehmens auseinander zu setzen. Zum anderen besteht das Modell rein aus Annahmen über zukünftige Geschehnisse. Nur kann leider niemand in die Zukunft schauen und mit großer Sicherheit sagen, was passieren wird.

Die Notwendigkeit eines pragmatischen Ansatzes

Hinsichtlich der Unternehmensbewertung habe ich eine kurze Anekdote von Benjamin Graham verinnerlicht. Darin beschreibt er, dass es sich mit der Bewertung einer Aktie genauso verhält, wie mit der Erkenntnis, dass eine Frau offensichtlich alt genug ist um zu wählen, oder der Erkenntnis, dass ein Mann offensichtlich zu dick

für seine Statur ist. Warren Buffet, Graham’s bekanntester Schüler hat diese Anekdote mit einem Satz auf den Punkt gebracht:
„It is better to be approximately right than precisely wrong.“

Das bedeutet, dass es nicht darauf ankommt, den Wert eines Unternehmens (des Eigenkapitals) möglichst genau zu bestimmten. Als Value Investor muss man sich der Grenzen seiner eigenen intellektuellen Fähigkeiten bewusst sein. Der objektiv korrekte Wert eines Unternehmens, nach der DCF Methode, ist eine rein theoretische Größe. In der Praxis müssen jede Menge Annahmen getroffen werden, welche die Zukunft betreffen und einem nur selten eine Kristallkugel zur Verfügung steht um alles haargenau vorherzusagen.

Unternehmensbewertung beginnt mit intensiver Recherche

Meines Erachtens nach sollte  man schon nach der ersten Analyse eines Unternehmens ein gutes Gefühl dafür haben, ob die Aktie zu teuer oder attraktiv gepreist ist, ohne auch nur tiefgehend in einzelne Bewertungsmethoden einzusteigen.
Der springende Punkt ist nämlich, dass erfolgreiches Stockpicking mit einer umfangreichen Recherche und Analyse über das Unternehmen und die Industrie beginnt:
Nur wer genau weiß, wo die Performance eines Unternehmens (Finanzen, Marktanteile, Kundenbeziehungen, Produkt- und Dienstleistungsqualität, etc.) herkommt, kann auch fundierte Vermutungen über dessen Zukunft treffen. So steht hinter meiner eigenen Aktienanalysen jedes mal eine intensive Recherche über den Markt, die Kunden und die Wettbewerber des Unternehmens. Der springende Punkt ist nämlich, dass mir diese Analyse hilft, ein ungefähres Bild über die kurz-bis mittelfristige Zukunft einer Firma zu entwerfen.

Das Ampelsystem – Das Fundament der Unternehmensbewertung

Diese Zukunftsvision soll klar, aber rudimentär bleiben. Im Grunde sieht mein vereinfachter Blick in die Zukunft folgendermaßen aus:

Unternehmensbewertung

Chart 2: Der Investment Case

Das Resultat meines Ampelsystems ist die Aufstellung eines Investment Case. Dieser Investment Case sagt mir, weshalb und wie (kurz- oder langfristig) ich in ein bestimmtes Unternehmen investieren möchte. Dieser Prozess ist besonders wichtig, da je nach Investment Case die Bewertung unterschiedlich aufgestellt ist und verschiedene Ziele verfolgt.

Kurzfristiges Investment – Cigar-Butts

Der Begriff „Cigar-Butts“ stammt von Warren Buffet. Er vergleicht dabei den Kauf einer unterbewerteten Aktie mit dem Finden eines noch nicht fertig gerauchten Zigarren-Stummels auf dem Boden. Genauso wie man aus der Zigarre einen letzten ordentlichen Zug nehmen kann bevor sie ausgeht, kann man aus einer stark gefallenen Aktie kurzfristig Profit schlagen bevor der Preis weiter fällt. Der Fokus liegt in dieser Methode auf Unternehmen, die meist aus fundamentalen Gründen tief im Preis gefallen sind – aber eben viel zu tief! In solchen Fällen will man nicht langfristig „investieren“, sondern kurzfristig an der Irrationalität des zu tief gefallenen Preises verdienen. In jüngster Vergangenheit denke ich an Geospace Technologies (NASDAQ:GEOS) – ein Anbieter von seismischen Instrumenten zur Entdeckung von Ölquellen – dessen Anteile von Januar bis Februar 2016 unter Net Current Asset Value gehandelt wurden. Hier hatten wir über 2 Monate einen Fall, in welchem ein schuldenfreies Unternehmen mit ausreichend Cash-Beständen bewertet wurde, als ob es jeden Augenblick Insolvenz anmeldet. Zwischenzeitlich ist der Aktienkurs von durchschnittlich $ 9,70 in Januar/Februar auf $ 19,36 im Juni gestiegen und steht Anfang Juli bei $ 16,60.
Im Grunde genommen habe ich im vorigen Absatz auch schon die Bewertungsmethode vorweggenommen. Ich habe mich in diesem Fall fast ausschließlich auf die Bewertung der Nettoliquidität konzentriert (Bilanz nach 10-Q, Dez. 2015):

Unternehmensbewertung

Chart 3: NCAV Bewertung; Geospace Technologies (Dez. 2015)

Nach Buchwerten war zu Anfang des Jahres das Netto-Umlaufvermögen (NCAV) von GEOS das 1,4-fache des gehandelten Eigenkapitals wert. Doch warum ist eigentlich das NCAV hier von Interesse? Weil mein Investment Case von GEOS die Möglichkeit einer mittelfristigen Insolvenz nicht ausgeschlossen hat. Die Frage, die sich mir stellte war: „Wenn das Unternehmen heute (im Januar) seine Türen schließen müsste, welchen Wert hätte es im Falle einer Liquidation? In diesem Fall ist das Umlaufvermögen ein guter Indikator, da Aktiva wie Bargeld, Inventar und Forderungen meist werthaltig und quantifizierbar sind. Das heißt, dass diese Positionen im Falle einer Liquidation am schnellsten und am genauesten bewertet werden können. Doch hier müssen qualifizierte Anpassungen getroffen werden, um das Wertpotential des Umlaufvermögens nicht zu überschätzen:

  • Cash & Cash Equivalents: ist in den meisten Fällen auch 100% des Buchwerts wert (Cash ist Cash). lediglich bei Short Term Investments und weiteren Cash Equivalents sollte nachgeprüft werden ob, und zu welchem Wert diese veräußert werden können.
  • Inventar: Hier muss geklärt werden, wie sich das Inventar aufteilt (Fertige Erzeugnisse – Unfertige Arbeiten – Rohmaterialien). Unfertige Erzeugnisse sind hier am wenigsten werthaltig, da zu Ihrer Fertigstellung noch Arbeit aufgewendet werden muss, welche (ohne große Investitionen) im Zweifel nur vom jeweiligen Unternehmen durchgeführt werden kann.
  • Forderungen: Die Bewertung von Forderungen ist besonders schwierig. Nur selten sind Informationen zu einzelnen Positionen (den Schuldnern) vorhanden.  Hier sollte man die Jahres- und Quartalsberichte nach Anpassungen des Managements (zB. Allowance for doubtful notes) durchsuchen und konservative Anpassungen treffen.

Nach meiner persönlichen Anpassung für das Netto-Umlaufvermögen ergab sich mir ein Liquidationswert (vor langfristigen Vermögensgegenständen) von knapp $ 106 Mio. – rund 83 % des damaligen Aktienpreises. Wäre ich davon überzeugt gewesen, dass Geospace Technologies kurzfristig von der Insolvenz bedroht gewesen wäre, hätte mich dieser Wert sicher nicht zum Kauf bewogen. Ich hielt es jedoch für sehr wahrscheinlich, dass beim damalige Ölpreis (von rund $ 30/ Barrel) so gut wie kein Erdölförderer (GEOS’s Auftraggeber) profitabel wirtschaften kann und sich der Preis kurz- bis mittelfristig erholen wird. Und GEOS hat die finanziellen Resourcen, um Umsatzeinbussen mittelfristig (2-3 Jahre) auszusitzen.

In einem solchen Fall kann das „Cigar-Butt“ investieren sehr profitabel sein. Die Herausforderung ist jedoch, dass man das Eintreten von externen Ereignisse – der Anstieg der Ölpreise – nicht vorhersehen kann. Deshalb muss man in seiner Analyse und Bewertung besonders konservativ verfahren und oftmals vom absoluten Worst-Case ausgehen. Wenn man dann noch überzeugt ist, unter Wert kaufen zu können, sollte man zuschlagen!

Nachdem wir hier den theoretischen Unterbau und kurzfristige Investments am Beispiel von „Cigar-Butts“ besprochen haben, werde ich in Teil II näher auf langfristige Investments und entsprechende Bewertungsmethoden eingehen.

 

Euer
Unternehmensbewertung

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